Chemie-Arbeitskosten deutlich gestiegen: Über 98.000 Euro im Jahr
Die Arbeitskosten in der deutschen chemisch-pharmazeutischen Industrie sind 2022 deutlich gestiegen. Dies geht aus aktuellen Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln) für den Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) hervor. Auf Stundenbasis gerechnet übertraf die Steigerung sogar den Wert der Inflationsrate, die in 2022 bei 7,9 Prozent lag.
Erstmals über 60 Euro für eine Chemie-Arbeitsstunde
Je geleisteter Beschäftigtenstunde betrugen die Arbeitskosten der Branche im Jahr 2022 im Durchschnitt nun 61,86 Euro. Das waren 9,2 Prozent mehr als im Jahr zuvor.
Die gesamten Arbeitskosten lagen mit durchschnittlich 98.651 Euro für Vollzeitbeschäftigte erstmals sehr nah an der Marke von 100.000 Euro. Auf Jahresbasis ergab sich eine Steigerung um 7,1 Prozent.
Die Summe setzt sich dabei aus folgenden Komponenten zusammen:
Der Bruttojahresverdienst der Beschäftigten in Vollzeit betrug in 2022 durchschnittlich 75.125 Euro. Hierin enthalten sind das Entgelt für die Tage mit tatsächlich geleisteter Arbeit (49.521 Euro) und die Vergütung für arbeitsfreie Tage wie Urlaub, Feiertage oder bei Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (13.217 Euro). Ebenfalls hier erfasst sind die fest vereinbarten Sonderzahlungen wie Jahresleistung oder Urlaubsgeld und im vergangenen Jahr auch die im April 2022 vereinbarte tarifliche Brückenzahlung (7.890 Euro) sowie die leistungs- und erfolgsabhängigen Zusatzzahlungen (4.497 Euro).
Für die gesamten Kosten - und damit die Wettbewerbsfähigkeit eines Arbeitsplatzes - ist jedoch nicht allein dieser an die Mitarbeitenden zu zahlende Bruttojahresverdienst entscheidend, sondern die gesamten durch die Beschäftigung verursachten Kosten. Hinzu kommen hier vor allem die Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber (durchschnittlich 12.019 Euro je Vollzeitbeschäftigten). Weiterhin gilt es, die Aufwendungen für die betriebliche Altersversorgung (6.546 Euro) sowie sonstige Personalzusatzkosten (4.961 Euro) zu berücksichtigen. Diese enthalten zum Beispiel Aufwendungen für Aus- und Weiterbildung, Abfindungen oder auch Kantinenzuschüsse.
Personalzusatzkosten auf Höchststand
Ein wesentlicher Treiber für die hohen Arbeitskosten in Deutschland sind somit gerade auch die Kosten, die Arbeitgeber zusätzlich zur Entlohnung der tatsächlich geleisteten Arbeit mit dem vereinbarten Stundensatz und den leistungsabhängig vereinbarten Zusatzzahlungen zu tragen haben. Diese setzen sich aus der Vergütung für arbeitsfreie Tage und leistungsunabhängigen Sonderzahlungen, Sozialversicherungsbeiträgen, Aufwendungen für die Altersversorgung und den sonstigen Personalzusatzkosten zusammen.
In 2022 summierten sie sich auf durchschnittlich 44.633 Euro. Bezogen auf die Summe aus Direktentgelt für geleistete Arbeit sowie leistungs- und erfolgsabhängige Zusatzzahlungen (zusammen 54.017 Euro) lagen sie damit bei 82,6 Prozent. Auch dies stellt einen neuen Höchstwert dar. Auf jeden für die tatsächliche Arbeit und Leistung gezahlten Euro kamen 2022 somit weitere 83 Cent für gesetzliche, tarifliche oder betriebliche Zusatzkosten. Auch diese müssen Arbeitgeber aus den Erlösen für die produzierten Waren finanzieren.
Deutliche Steigerung bei Sonder- und Entgeltfortzahlungen
Auch wenn die Vergleichbarkeit mit den Daten der Vorjahre nur eingeschränkt möglich ist (siehe Methodenhinweise), so zeigten sich 2022 bei einzelnen Bestandteilen der Arbeitskosten doch besonders deutliche Steigerungen: Die fest vereinbarten Sonderzahlungen erhöhten sich um 1.600 Euro oder fast 26 Prozent. Eine Ursache hierfür ist die im April 2022 tariflich vereinbarte Brückenzahlung von 1.400 Euro je Beschäftigten. Zudem haben einige Betriebe von der Option Gebrauch gemacht, die für Januar 2023 tariflich festgelegte Inflationsausgleichszahlung von 1.500 Euro auf den Dezember und damit in das Jahr 2022 vorzuziehen.
Von knapp 2.600 auf jetzt über 3.500 Euro, und damit um 37 Prozent, sind in 2022 die Aufwendungen der Arbeitgeber für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gestiegen. Dies korrespondiert mit der Entwicklung des Krankenstandes. Dieser erreichte 2022 in Deutschland einen Rekordwert und lag durchschnittlich fast vier Tage höher als 2021. Die Kosten hierfür mussten im Wesentlichen die Arbeitgeber aufbringen. Schließlich ergaben sich deutliche Steigerungen in 2022 auch bei den leistungs- und erfolgsabhängigen Sonderzahlungen. Sie lagen um 21 Prozent oder durchschnittlich fast 800 Euro höher als im Vorjahr. Da das Jahr 2021 in der chemischen Industrie wirtschaftlich besser verlief als das erste Pandemiejahr 2020, stiegen in 2022 die für das Vorjahr an viele Beschäftigten geleisteten erfolgsabhängigen Bonuszahlungen.
Grundlage der Arbeitskostenberechnung sind die alle vier Jahre durchgeführten Arbeitskostenerhebungen des Statistischen Bundesamtes. Die vorliegenden Daten zu den Arbeitskosten 2022 beruhen auf der Fortschreibung der Ergebnisse für das Jahr 2020.
Zur Fortschreibung werden Hilfsstatistiken herangezogen wie laufende Verdiensterhebungen, Beitragssätze und -bemessungsgrenzen in der Sozialversicherung. Mit den alle vier Jahre stattfindenden Erhebungen ergeben sich jeweils auch Umstellungen und Korrekturen in den Daten; mit früheren Berechnungen sind die aktuellen Ergebnisse dadurch immer nur eingeschränkt vergleichbar.
In diesem Jahr ist zusätzlich zu beachten, dass die für die Fortschreibung herangezogene Verdienststatistik des Statistischen Bundesamtes in 2022 umgestellt wurde. Dies schränkt die Vergleichbarkeit zusätzlich ein. Die Berechnung erfolgt durch das Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) für den BAVC.