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Nach langen und intensiven Verhandlungen haben IGBCE und BAVC Ende Juni eine Einigung im Tarifkonflikt erzielt. In der dritten Bundesrunde in Bad Breisig einigten sich die Chemie-Sozialpartner auf ein Paket aus Entgelterhöhungen in zwei Stufen, einen gemeinsamen Weg zur Stärkung der Tarifbindung sowie auf weitere Modernisierungsschritte im Chemie-Flächentarif. Der Abschluss garantiert den Unternehmen Planungssicherheit bis ins erste Quartal 2026. Die Einigung gilt für 1.700 Betriebe mit 585.000 Beschäftigten.

Sicherheit und Perspektiven für Betriebe und Beschäftigte

BAVC-Präsidentin Katja Scharpwinkel wertete die Einigung als „hart erarbeiteten Kompromiss“, für den sich beide Seiten erheblich aufeinander zubewegen mussten. „Aber es wird deutlich, was wir durch eine gute Sozialpartnerschaft auch unter schwierigen Rahmenbedingungen leisten können.“ Es gehe darum, Unternehmen und Beschäftigten Sicherheit und Perspektiven zu geben. Scharpwinkel: „Darauf können wir aufbauen, um die Transformation zu einer nachhaltigen Chemie-Industrie erfolgreich zu gestalten.“

Matthias Bürk, der die Verhandlungen für die Arbeitgeber geführt hat, sprach von einem „tragfähigen Kompromiss, der die Interessen beider Seiten berücksichtigt“. Zwar seien die Arbeitgeber beim Entgelt „zweifellos an die Grenze der Belastbarkeit gegangen. Aber wir verbinden langfristige Planungssicherheit mit Flexibilität für Unternehmen in einer kritischen Lage.“ Besonders viel Fingerspitzengefühl sei bei der Stärkung der Tarifbindung nötig gewesen. Für die Arbeitgeber sei entscheidend, dass das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ unangetastet bleibt. Bürk: „Indem wir unsere Schlichtungsregelung unverändert fortführen und gewerkschaftliches Engagement spürbar wertschätzen, zeigen wir unmissverständlich, dass die Chemie ihrem sozialpartnerschaftlichen Kurs treu bleibt.“

Stärkung der Tarifbindung auf beiden Seiten

Im Tarifabschluss haben sich IGBCE und BAVC darauf verständigt, den sozialpartnerschaftlichen Kurs der Branche fortzusetzen und gewerkschaftliches Engagement stärker zu honorieren. Mit der unveränderten Fortschreibung der Chemie-Schlichtungsregelung setzen IGBCE und BAVC weiter auf einen dezidiert sozialpartnerschaftlichen Interessenausgleich. 

Im Unterschied zu anderen Branchen ist in der chemie-spezifischen Schlichtungsregelung weiterhin kein externer Schlichter vorgesehen. Ein mit Mehrheit verabschiedeter Schlichtungsspruch ist unmittelbar als Tarifvertrag verbindlich. Bis zum erfolglosen Abschluss einer Schlichtung gilt Friedenspflicht. Die Schlichtungsvereinbarung kann nicht vor Ende 2026 gekündigt werden.

Im Gegenzug erhalten aktive Mitglieder der IGBCE ab 2025 einen Zeitausgleich im Umfang von einem Arbeitstag pro Jahr für ihr gewerkschaftliches Engagement. Für 10, 25, 40 oder 50 Jahre Gewerkschaftsmitgliedschaft erhalten aktive IGBCE-Mitglieder im entsprechenden Jahr zudem einen Zeitausgleich von einem weiteren Arbeitstag. So soll dem Einsatz für Sozialpartnerschaft und Tarifbindung Rechnung getragen werden, wie er durch das gewerkschaftliche Engagement zum Ausdruck kommt.

Entgeltsteigerung in zwei Stufen, 20 Monate Laufzeit

Der Entgeltkompromiss sieht vor, dass die Entgelte ab 1. September 2024 in der ersten Stufe um 2,0 Prozent erhöht werden. Die zweite Stufe der Entgelterhöhung greift ab 1. April 2025 und beträgt 4,85 Prozent. Die Ausbildungsvergütungen steigen entsprechend. Die Gesamtlaufzeit beträgt 20 Monate bis Ende Februar 2026.

Für Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten sieht der Tarifvertrag Entlastungen vor. Die zweite Stufe der Entgelterhöhung ist flexibilisiert. Sie kann aus wirtschaftlichen Gründen um bis zu drei Monate verschoben werden. Bei roten Zahlen wird die Entgelterhöhung um zwei Monate verschoben, bei einer Nettoumsatzrendite unter drei Prozent um einen Monat. Auf Basis einer Betriebsvereinbarung sind drei Monate Verschiebung möglich.

Update für den Bundesentgelttarifvertrag

Bei dem für die Eingruppierung der Beschäftigten ausschlaggebenden Bundesentgelttarifvertrag (BETV) haben sich IGBCE und BAVC auf erste Modernisierungsschritte verständigt. So ist ab 1. September 2024 die Textform ausreichend statt der bisher notwendigen Schriftform. Damit können etwa Entgeltabrechnungen digital ausgegeben werden. Außerdem ist die Nutzung des Entgeltkorridors, mit dem die Entgelte mit Zustimmung der Tarifparteien um bis zu zehn Prozent abgesenkt werden können, künftig unbefristet möglich. Das eröffnet Unternehmen mit strukturellen Problemen mehr Planungssicherheit.

Zudem starten IGBCE und BAVC einen strategischen Prozess zur Modernisierung der Tarifverträge der chemischen Industrie. Ziel ist es, die tarifvertraglichen Regelungen bis zum Jahr 2030 an die Herausforderungen der sich stetig ändernden Arbeitswelt und die strukturellen Veränderungen in der Branche anzupassen. Perspektivisch sollen die Chemie-Tarifverträge einfacher werden, indem Komplexität und Regelungstiefe reduziert werden. Im Rahmen des Prozesses sollen auch die regional erarbeiteten Vorschläge zur Stärkung der beiderseitigen Tarifbindung aufgegriffen werden.

Online-Plattform sichert Fachkräfte in der Transformation

In Zeiten der Transformation investieren IGBCE und BAVC zusätzlich in die Fachkräftesicherung der Chemie- und Pharmabranche. Über den Unterstützungsverein der Chemischen Industrie (UCI) fördern die Chemie-Sozialpartner bundesweit die Einrichtung regionaler Fachkräfteradare. Dabei handelt es sich um eine Online-Plattform, bei der Betriebe ihre Mitarbeitenden und Ausbildungsabsolventen, die sie nicht mehr beschäftigen können, anderen Unternehmen in der Branche weiterempfehlen, die nach Fachkräften suchen. So können Talente in der chemisch-pharmazeutischen Industrie gehalten und die Sozialpartnerschaft gestärkt werden.

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