Chemie-Arbeitskosten in 2023 weiter gestiegen: Erstmals über 100.000 Euro im Jahr
Die Arbeitskosten in der deutschen chemisch-pharmazeutischen Industrie sind 2023 erneut gestiegen. Dies geht aus aktuellen Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln) für den BAVC hervor, die jetzt vorliegen.
Über 64 Euro für eine Arbeitsstunde
Je geleisteter Beschäftigtenstunde betrugen die Arbeitskosten der Branche im Jahr 2023 im Durchschnitt 64,10 Euro. Das waren 3,5 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Die gesamten Arbeitskosten lagen mit durchschnittlich 102.706 Euro für Vollzeitbeschäftigte erstmals über der Marke von 100.000 Euro und somit im sechsstelligen Bereich. Auf Jahresbasis ergab sich eine Steigerung um 4,0 Prozent. Die Summe setzt sich dabei aus folgenden Komponenten zusammen:
Der Bruttojahresverdienst der Beschäftigten in Vollzeit betrug in 2023 durchschnittlich 77.981 Euro. Hierin enthalten sind das Entgelt für die Tage mit tatsächlich geleisteter Arbeit (52.656 Euro) und die Vergütung für arbeitsfreie Tage wie Urlaub, Feiertage oder bei Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (14.019 Euro). Die Vergütung für aus verschiedenen Gründen arbeitsfreie Tage macht damit inzwischen 18 Prozent des Bruttojahresverdienstes aus. Ebenfalls als Teil des Bruttojahresverdienstes erfasst sind die fest vereinbarten Sonderzahlungen wie Jahresleistung oder Urlaubsgeld und auch weitere tariflich vereinbarte Einmalzahlungen (7.129 Euro) sowie die leistungs- und erfolgsabhängigen Zusatzzahlungen (4.177 Euro).
Während das Direktentgelt für Tage mit tatsächlich geleisteter Arbeit 2023 mit plus 6,4 Prozent und auch die Kosten für die Vergütung arbeitsfreier Tage mit plus 5,9 Prozent sehr deutlich stiegen, waren die Einmalzahlungen rückläufig. Ursache hierfür dürfte vor allem die schwache wirtschaftliche Entwicklung in 2022 und 2023 sein, die zu Kürzungen bei Erfolgsbeteiligungen und auch tariflichen Einmalzahlungen geführt hat.
Für die gesamten Kosten, und damit die Wettbewerbsfähigkeit eines Arbeitsplatzes am Standort Deutschland, ist jedoch nicht allein der Bruttojahresverdienst entscheidend. Die gesamten durch die Beschäftigung verursachten Kosten sind zu betrachten. Zum Bruttojahresverdienst hinzu kommen dafür vor allem die Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber. Sie betrugen in 2023 durchschnittlich 12.694 Euro je Vollzeitbeschäftigten und kletterten damit um 4,9 Prozent. Der Anstieg war also erneut stärker als das Wachstum der Arbeitskosten insgesamt.
Überweisungen an Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung überproportional gestiegen
Während dabei die Zahlungen an die Rentenversicherung und die Berufsgenossenschaft genau im Einklang mit der Entwicklung der Arbeitskosten lagen, wuchsen die Überweisungen vor allem an die Arbeitslosenversicherung, aber auch an die Kranken- und Pflegeversicherung, in 2023 überproportional. Weiterhin gilt es, die Aufwendungen für die betriebliche Altersversorgung (6.804 Euro) sowie sonstige Personalzusatzkosten (5.227 Euro) für die Errechnung der gesamten Arbeitskosten zu berücksichtigen. Diese enthalten zum Beispiel Aufwendungen für Aus- und Weiterbildung, Abfindungen oder Kantinenzuschüsse und auch Sonderzahlungen zur Vermögensbildung sind hier eingerechnet. Daraus ergibt sich dann in Summe der Wert von 102.706 Euro.
Auch Personalzusatzkosten legen zu
Ein wesentlicher Treiber für die hohen Arbeitskosten in Deutschland sind weiterhin die Kosten, die Arbeitgeber in Ergänzung zur Entlohnung der tatsächlich geleisteten Arbeit mit dem vereinbarten Stundensatz und den leistungsabhängig vereinbarten Zusatzzahlungen noch zu tragen haben. Diese setzen sich aus der Vergütung für arbeitsfreie Tage, leistungsunabhängigen Sonderzahlungen, Sozialversicherungsbeiträgen, Aufwendungen für die Altersversorgung und den sonstigen Personalzusatzkosten zusammen.
In 2023 summierten sie sich auf durchschnittlich 45.873 Euro. Bezogen auf die Summe aus Direktentgelt für geleistete Arbeit sowie leistungs- und erfolgsabhängige Zusatzzahlungen (zusammen 56.833 Euro) lagen sie damit bei 80,7 Prozent. Bedingt durch das stark gestiegene Entgelt für geleistete Arbeit und die rückläufigen fest vereinbarten Sonderzahlungen ist der Wert damit aber etwas niedriger als im Jahr zuvor. Auf jeden von den Arbeitgebern für die tatsächliche Arbeit und Leistung gezahlten Euro kamen 2023 aber dennoch über 80 Cent für gesetzliche, tarifliche oder betriebliche Zusatzkosten oben drauf. Auch diese müssen Arbeitgeber aus den Erlösen für die produzierten Waren finanzieren.
Weitere Steigerung bei Entgeltfortzahlung
Die Aufwendungen der Arbeitgeber für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sind auch 2023 weiter gestiegen. Der Wert lag bei durchschnittlich 3.735 Euro für jeden in Vollzeit beschäftigten Mitarbeitenden. Die Steigerung gegenüber dem Vorjahr war auch hier erneut höher als die der Arbeitskosten insgesamt und lag bei 4,9 Prozent.
Besonders dramatisch ist die Steigerung aber im mehrjährigen Vergleich. Gegenüber dem Basisjahr der aktuellen Arbeitskostenstatistik, dem Jahr 2020, sind die durchschnittlichen Aufwendungen der Arbeitgeber in der chemisch-pharmazeutischen Industrie für die Entgeltfortzahlung in nur drei Jahren um über 48 Prozent gestiegen. Die Arbeitskosten insgesamt wuchsen im selben Zeitraum um 13,5 Prozent und das Direktentgelt für die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden um 11,5 Prozent.
Methodenhinweise
Grundlage der Arbeitskostenberechnung sind die alle vier Jahre durchgeführten Arbeitskostenerhebungen des Statistischen Bundesamtes. Die vorliegenden Daten zu den Arbeitskosten 2023 beruhen auf der Fortschreibung der Ergebnisse für das Jahr 2020. Zur Fortschreibung werden Hilfsstatistiken herangezogen, wie laufende Verdiensterhebungen, Beitragssätze und -bemessungsgrenzen in der Sozialversicherung.
Mit den alle vier Jahre stattfindenden Erhebungen ergeben sich jeweils auch Umstellungen und Korrekturen in den Daten; mit früheren Berechnungen sind die aktuellen Ergebnisse dadurch immer nur eingeschränkt vergleichbar. Zusätzlich ist zu beachten, dass die für die Fortschreibung herangezogene Verdienststatistik des Statistischen Bundesamtes in 2022 umgestellt wurde, dies schränkt die Vergleichbarkeit mit früheren Jahren ein. Die Berechnung erfolgt durch das Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) für den BAVC.