Chemie-Arbeitskosten international: Deutschland weiterhin (zu) teuer
Die Arbeitskosten der chemisch-pharmazeutischen Industrie in Deutschland haben sich 2023 weiter erhöht. Sie beliefen sich in Summe für Vollzeitbeschäftigte auf durchschnittlich 102.706 Euro pro Jahr. Umgerechnet auf die einzelne Stunde mussten Arbeitgeber der Branche damit 64,10 Euro zahlen (siehe Impuls 11/2024). Ursache waren vor allem Steigerungen beim Entgelt für die tatsächlich geleistete Arbeit wie auch bei der Vergütung für arbeitsfreie Tage. Einmalzahlungen waren hingegen, vor allem bedingt durch Kürzungen aufgrund der schwierigeren wirtschaften Lage der Branche seit 2022, rückläufig. Dennoch ergab sich unter dem Strich ein Anstieg der jährlichen Arbeitskosten von 4,0 Prozent bzw. 3,5 Prozent je Arbeitsstunde.
International jetzt Platz 4
Im internationalen Vergleich behielt Deutschland damit auch 2023 seinen Platz in der Spitzengruppe der teuersten Arbeitskosten-Standorte für die Branche. Der Abstand zu wichtigen Wettbewerbern im direkten europäischen Umfeld konnte im letzten Jahr allerdings leicht verringert werden. In Ländern wie Frankreich, Italien, Spanien und Belgien, aber auch dem Vereinigten Königreich, stiegen die Ausgaben der Unternehmen für die Beschäftigten in der chemisch-pharmazeutischen Industrie (noch) schneller. Die Niederlande überholten durch einen stärkeren Zuwachs bei den Arbeitskosten sogar Deutschland und verzeichneten erstmals seit langem leicht höhere Kosten für die Beschäftigung. Dies zeigt eine Analyse des Bundesarbeitgeberverbands Chemie auf Basis von Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln).
Mit Ausnahme von Schweden und Japan stiegen die Arbeitskosten 2023 im Vorjahresvergleich für Chemie und Pharma – bei der Berechnung in Euro je Stunde – dabei in allen in der Analyse betrachteten Ländern. In beiden Staaten sorgten Verschiebungen in den Wechselkursen für einen Rückgang. In nationaler Währung gab es auch hier jeweils eine Steigerung.
Die internationale Top 3
Höhere Arbeitskosten als Deutschland wiesen je Stunde und in Euro in 2023 Belgien, Dänemark und die Niederlande auf. Belgien löste im letzten Jahr Dänemark wieder an der Spitze der Analyse ab, nachdem das skandinavische Land in den Jahren zuvor noch die höchsten Werte zu verzeichnen hatte. Bei Dänemark spielen dabei neben der Entwicklung der reinen Arbeitskosten auch Währungsverschiebungen eine Rolle. Der neue Spitzenreiter Belgien lag 2023 nun um 5,3 Prozent vor Deutschland. Dänemark war 4,1 Prozent teurer, die Niederlande lagen mit plus 0,8 Prozent fast gleichauf. Bei dem Vergleich der Standorte muss auch die Struktur der jeweiligen Branche im Blick behalten werden. So ist die Industrie in Belgien zum Beispiel von der weniger personalintensiven Petrochemie geprägt, die sehr hohe Umsätze je Beschäftigten erzielt. Irland, das mit 59,82 Euro je Stunde mit einen der höchsten Werte in der EU aufweist, auch wenn es 6,7 Prozent preiswerter war als Deutschland, wird stark von der pharmazeutischen Industrie geprägt, die in allen Staaten tendenziell höhere Qualifikationsniveaus und Entgelte aufweist.
Weitere Wettbewerbsnachteile
Wichtige Wettbewerber der deutschen Chemie- und Pharmaindustrie profitieren auf den Weltmärkten – das zeigt die Analyse der Daten für 2023 – aber weiterhin von deutlichen Vorteilen bei den Arbeitskosten im Vergleich zu Deutschland. Dies gilt für die USA mit einem Kostenvorteil von 17,2 Prozent je Arbeitsstunde ebenso wie für Japan, dessen Wert sogar um 49,7 Prozent niedriger lag, wie auch für Großbritannien mit 39,3 Prozent niedrigeren Arbeitskosten je Stunde. Auch in diesen drei Staaten beeinflusst die Wechselkursentwicklung in dieser Analyse das Verhältnis der in Euro errechneten Arbeitskosten. Lediglich gegenüber dem Vereinigten Königreich machte Deutschland im Ergebnis aller Effekte rund einen Prozentpunkt gut.
Zu vielen großen Staaten des Euroraums befindet sich die Branche hierzulande bei den Arbeitskosten weiterhin klar im Nachteil. Auch wenn Deutschland im letzten Jahr den Abstand zu all diesen Standorten bei den Arbeitskosten leicht verringern konnte, bleibt die Lücke zum Teil sehr groß. Während der Abstand zu Frankreich, das 3,0 Prozent preiswerter ist, noch überschaubar war, ist Österreich bei den Arbeitskosten je Stunde 7,6 Prozent, Italien bereits 37,6 Prozent, Spanien 47,3 Prozent und Portugal gar 64,7 Prozent im Vorteil. Zu diesen Standorten gibt es dabei keine Verschiebungen durch Wechselkurse. Auch hier werden die Beschäftigten in Euro bezahlt und müssen ihrerseits den Lebensunterhalt in Euro bestreiten.
Moderate Entwicklung notwendig
Die Bewertung der neuen Daten zeigt, dass sich die Arbeitskosten der deutschen chemisch-pharmazeutischen Industrie weiterhin auf einem sehr hohen Niveau bewegen und im internationalen Wettbewerb ein Standort-Nachteil sind. Um die aktuell vielfach bedrohte Konkurrenzfähigkeit der heimischen Arbeitsplätze wieder herzustellen oder zu erhalten, ist somit eine moderate Entwicklung der Arbeitskosten unerlässlich. Dies bleibt Auftrag für die Tarifvertragsparteien, die betrieblichen Akteure und auch die Politik, denn ein Großteil der Arbeitskostenentwicklung der vergangenen Jahre wurde in Deutschland auch durch steigende Kosten für die Sozialversicherungssysteme, Abgaben und Beiträge generell verursacht.