Praktika-Richtlinie: Weit über das Ziel hinaus
Vor einem Jahr hat die Europäische Kommission einen Vorschlag zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Praktikanten und zur Bekämpfung von als Praktika getarnten Arbeitsverhältnissen vorgelegt. Inzwischen sind die Beratungen der Ko-Gesetzgeber fortgeschritten.
In ihrem Richtlinienvorschlag legt die EU-Kommission den Grundsatz der Nichtdiskriminierung von Praktikanten fest, wobei objektive Gründe wie unterschiedliche Aufgaben, geringere Verantwortung, Arbeitsintensität oder das Gewicht der Lern- und Ausbildungskomponente eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Die Mitgliedstaaten sollen Scheinpraktika bekämpfen, indem sie wirksame Kontrollen und Inspektionen durchführen. Arbeitgeber sollen auf Anfrage der Behörde Informationen über die Anzahl und Dauer der Praktika, die Arbeitsbedingungen einschließlich dem Entgelt, die Lern- und Ausbildungsbestandteile und die Stellenausschreibungen für das Praktikum vorlegen. Die Mitgliedstaaten sollen außerdem eine Obergrenze für die Praktikumsdauer festlegen. Die aktuelle Definition schließt dabei weder Pflichtpraktika im Rahmen des Bildungswegs noch die berufliche Ausbildung explizit aus.
Rat gespalten - Parlament back to the roots
Die Verhandlungen im Rat gestalten sich zäh. Die polnische Ratspräsidentschaft schlägt vor, den Anwendungsbereich auf Praktika auf dem freien Markt zu beschränken. Jedoch sollen bei der Bekämpfung von Scheinpraktika alle Arten von Praktika berücksichtigt werden. Zudem sollen Definitionen für Scheinpraktika und Praktika auf dem freien Markt hinzugefügt werden. Damit entfernt sich die Debatte im Rat weiter vom Kommissionsvorschlag, geht aber vielen Mitgliedstaaten – allen voran Deutschland – noch zu weit, die sich eine Begrenzung der Auswirkungen auf die bestehenden nationalen Systeme wünschen und sich gegen die Einführung neuer Bewertungskriterien für Praktika aussprechen.
Die sozialdemokratische Berichterstatterin hat im Februar 2025 ihren Berichtsentwurf vorgelegt. Darin nimmt sie Bezug auf die ursprünglichen Forderungen des EU-Parlaments nach einer Vergütung im Einklang mit der Mindestlohn-Richtlinie für alle Arten von Praktika. Darüber hinaus sollen Praktika EU-weit definiert werden als eine Phase von Arbeit auf Einstiegsniveau, die über eine maßgebliche Ausbildungskomponente das Ziel hat, den Einstieg in einen Beruf zu gewährleisten.
Unsere Bewertung
Aus Sicht der Chemie-Arbeitgeber führen die aktuell diskutierten Vorschläge zu einer Überschreitung der EU-Kompetenz in den Bereichen Bildung und Arbeitsentgelt und sollten daher zurückgezogen werden. Komponenten der formalen Bildung wie Pflichtpraktika, duale Studiengänge, Ausbildungsverhältnisse sowie freiwillige Schülerpraktika müssen klar von der Richtlinie ausgenommen werden. Darüber hinaus muss der bürokratische Aufwand für das Anbieten von Praktika auf dem freien Markt so gering wie möglich ausgestaltet sein und Flexibilität erhalten bleiben. Andernfalls würden Praktikumsangebote vor allem in KMU unweigerlich verringert und damit ein wichtiger Hebel der Fachkräftegewinnung geschwächt werden.