Entgelttransparenz: Mehr Tarifautonomie statt mehr Bürokratie
Mit der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Entgelttransparenz droht ab Sommer 2026 ein weiteres Bürokratiemonster im Arbeitsrecht. Aus Sicht der Chemie-Arbeitgeber sollte die neue Bundesregierung die umfangreichen Regelungen dagegen bürokratiearm und mit Augenmaß umsetzen. Tarifvertragliche Entgeltregelungen sind Ergebnis sozialpartnerschaftlicher Aushandlungen und entsprechend vom Grundgesetz geschützt. Mit einer überzogenen Umsetzung der europäischen Vorgaben würde nicht nur die Tarifautonomie untergraben. Die neue Bundesregierung würde zudem den Regulierungswahnsinn der vergangenen Jahre fortsetzen. Dabei ist genau das Gegenteil in diesen Tagen ihr vielfach erklärtes Ziel!
Praxisinput für das Ministerium
Damit es soweit nicht kommt, setzt sich der BAVC in politischen Gesprächen mit dem federführenden Bundesministerium für Frauen, Bildung, Familie, Senioren und Jugend (BMBFSFJ) für eine praxisnahe Lösung ein. Insbesondere durch die Unterstützung von Experten aus den Mitgliedsunternehmen konnten wir anhand praxisnaher Beispiele überzeugend darlegen, dass die Tarifverträge der chemisch-pharmazeutischen Industrie frei von Diskriminierung sind. Gleichzeitig machten sie deutlich, welch erheblicher bürokratischer Mehraufwand droht, sollte der Gesetzgeber keine Erleichterungen für tarifgebundene Unternehmen vorsehen.
Tarifverträge schützen vor Diskriminierung
Die tariflichen Vergütungssysteme der Branche sind seit Jahrzehnten etabliert und garantieren eine geschlechtsneutrale Bezahlung. Gehälter sowie funktions- und tätigkeitsbezogene Zulagen werden auf Basis objektiver Arbeitsbewertungen festgelegt. Dabei stehen die Tätigkeiten der jeweiligen Position im Vordergrund – unabhängig von persönlichen Merkmalen wie dem Geschlecht. Tarifverträge schaffen Transparenz und Fairness und vermeiden sachfremde Kriterien bei der Entgeltfindung.
Der deutsche Gesetzgeber sollte daher den Umsetzungsspielraum der Richtlinie zugunsten der Tarifautonomie nutzen. Die EU durfte und wollte Regeln zur Entgeltgleichheit aufstellen, aber nicht unverhältnismäßig in die Tarifautonomie eingreifen. Auskunfts- und Berichtspflichten, Entgeltvergleiche und Sanktionen dürfen die Tarifautonomie nicht gefährden. Vielmehr müssen die bestehenden Tarifsysteme ihre bislang geltende Vermutung der Angemessenheit behalten können. Unternehmen sollten zudem weiterhin von entsprechenden Erleichterungen profitieren, wie sie heute das Entgelttransparenzgesetz bereits vorsieht.
Chemie-Arbeitgeber fordern praxisnahe Lösung
Die Frage der Gleichwertigkeit von Tätigkeiten wird durch unterschiedliche Eingruppierung gemäß den Tarifverträgen beantwortet. Der Gesetzgeber sollte dies anerkennen und tarifgebundenen Unternehmen keine neue Systematik zur Feststellung eventueller Lohnlücken zwischen den Geschlechtern vorschreiben. Zudem sollten Auskunfts- und Berichtspflichten für tarifgebundene Unternehmen auf ein sinnvolles Maß reduziert bleiben und mit Blick auf Inhalt und Turnus möglichst gleichlaufend abgefragt werden.
Eine halbwegs bürokratiearme Lösung lässt sich jedoch nur erreichen, wenn der definierte Entgeltbegriff bei den Auskunfts- und Berichtspflichten angemesseneingegrenzt wird. Leistungen, die von der Wahl der Mitarbeitenden abhängen (z.B. Entgeltumwandlung, Nutzung des Obstkorbs, Sachleistungen) müssen klar ausgeklammert sein.
Die genannten Maßnahmen würden die Unternehmen vor einem Übermaß an Bürokratie im Zuge der Umsetzung der Richtlinie schützen. Ihr Aufwand würde aber trotz allem sehr wahrscheinlich steigen, weshalb die EU-Richtlinie als Ganzes erneut auf den Prüfstand gehört. Schon in der Richtlinie selbst sollte die Privilegierung von Tarifverträgen klar geregelt sein. Indem sich die Bundesregierung auf nationaler und europäischer Ebene dafür einsetzt, käme sie zudem ihrem selbst gesteckten Ziel der höheren Tarifbindung im Land ein Stück näher.
Entgeltgleichheit braucht bessere Rahmenbedingungen
Entgeltgleichheit ist ein gesellschaftliches Ziel, das breite Unterstützung verdient. Wer jedoch echte Entgeltgleichheit will, muss aus Sicht der Chemie-Arbeitgeber die wahren Ursachen angehen, d.h. eine bessere Kinderbetreuung, klischeefreie Berufsorientierung und eine faire Steuer- und Sozialpolitik schaffen. Die noch vorhandene Lohnlücke zwischen Männern und Frauen lässt sich nicht durch vermeintlich gut gemeinte, aber in der Sache nicht zielgerichtete Gesetze verringern.
Die Bundesregierung hat bis Juni 2026 Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Derzeit läuft der Erfahrungsaustausch im BMBFSFJ, an dem sich der BAVC beteiligt. Zudem erarbeitet eine vom Ministerium eingesetzte Fachkommission einen eigenen Bericht, der sehr zeitnah vorgestellt wird. Mit einem Referentenentwurf ist noch bis Jahresende zu rechnen.





