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Was sind die richtigen Indikatoren, anhand derer eine wirtschaftlich verkraftbare und faire Entgelterhöhung für eine Branche gefunden werden kann? Wie kann ein so genannter Verteilungsspielraum definiert werden, der für eine Erhöhung ohne negative Effekte auf Standort und Beschäftigung verfügbar ist? Oft genannt werden bei der Diskussion dieser Fragen die Entwicklung von Produktivität, Lohnstückkosten und Preisen.

Wettbewerbsfähigkeit stabilisieren

Und in der Tat, es muss ein Wert gefunden werden, der die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe nicht beschädigt. Das unterscheidet Tarifrunden in Indus-triebranchen von denen im öffentlichen Dienst oder bei Monopol-Unternehmen. Wenn Anbieter ähnliche Produkte mit vergleichbarer Qualität herstellen und diese auf demselben Markt verkaufen wollen, dann werden diejenigen Erfolg haben, die den besten Verkaufspreis bieten.

Unternehmen, die durch ineffiziente Prozesse, hohe Kosten für Energie, Rohstoffe und Vorprodukte oder umfassende Ansprüche ihrer Belegschaften einen höheren Preis verlangen müssen, werden im Wettbewerb verlieren. In der Folge kommt es dazu, dass diese ihre Produktion aufgeben und auch Beschäftigung abbauen müssen.

Lohnstückkosten entscheiden

Bei Tarifrunden wird über die Entwicklung der Entgelte verhandelt. Kosten für Energie, Rohstoffe oder Vorprodukte - für den Erfolg der Unternehmen ebenfalls von großer Bedeutung - können dort nicht beeinflusst werden. Es geht also um die Entwicklung der so genannten Lohnstückkosten. Ein Argument für einen positiven Verteilungsspielraum und somit die Möglichkeit steigender Löhne könnte dabei sein, dass die Arbeitsproduktivität gestiegen ist, wenn also mit einer gleichbleibenden Belegschaft, bei sonst ähnlichen Bedingungen, deutlich mehr Waren produziert werden.

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In einer solchen Situation könnte angeführt werden, dass ein Teil der zusätzlichen Erlöse, die das Unternehmen so erzielt, an die Beschäftigten weitergegeben werden kann. Die Realität der chemisch-pharmazeutischen Industrie zeigt allerdings am Jahresanfang 2024 ein gänzlich anderes Bild: Die Lohnstückkosten steigen seit über zehn Jahren kontinuierlich an. Zuletzt sind sie geradezu explodiert. 2023 haben sie den mit Abstand höchsten Wert seit der Wiedervereinigung vor über drei Jahrzehnten erreicht.

Produktivität rückläufig

Die Entwicklung der Arbeitsproduktivität selbst wird wesentlich bestimmt durch die Zahl der Menschen, die in einer Branche beschäftigt sind, die Anzahl der von ihnen geleisteten Arbeitsstunden und die Menge der Waren, die durch sie in den Unternehmen produziert wird. Und da sieht das Bild in der chemisch-pharmazeutischen Industrie eindeutig aus: Nach einer langen Phase steigender Produktivität bis weit in die 2000er Jahre hinein, gab es seit 2010 keinerlei Zuwächse mehr. Mehr als ein Jahrzehnt lang war es der Branche in Summe nicht mehr möglich, durch Effizienzsteigerungen, neue Arbeitsorganisation oder technische Innovationen am Standort Deutschland aus einem gegebenen Arbeitsvolumen der Beschäftigten eine steigende Produktionsmenge zu erzielen.

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Seit 2018 zeigt sich sogar die umgekehrte Tendenz: Die Produktivität ist deutlich gefallen. In Summe produzierte eine gleichbleibende Belegschaft 2023 durchschnittlich fast 19 Prozent weniger Waren als fünf Jahre zuvor. Entsprechend geringer waren die Erlöse, die ein Betrieb aus der Arbeit dieser Belegschaft erzielte.

Vielfältige Ursachen

Für diese Entwicklung gibt es mehrere Ursachen: Alternde Belegschaften, die Verlagerung von Investitionen in andere Weltregionen, der stete Zuwachs an unproduktiven bürokratischen Pflichten oder auch der gestiegene Krankenstand. Hinzu kam der massive Verlust an Wettbewerbsfähigkeit in weiten Teilen der Branche nach dem Energiepreisschock in Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine und die dadurch gesunkene Kapazitätsauslastung.

Für die ökonomische Antwort auf die Frage nach einer für die Branche passenden Lohnerhöhung sind die Gründe aber letztlich nicht relevant. Zentral ist die Erkenntnis, dass es keinerlei zusätzlichen Verteilungsspielraum aus der Entwicklung der Produktivität gibt. Jede trotzdem vereinbarte Erhöhung der Entgelte wird unter diesem Blickwinkel die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Standorte zusätzlich schwächen.

Neutraler Verteilungsspielraum negativ

Basierend auf einem Konzept des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung wird in der Regel allerdings gefordert, dass die Entwicklung der Arbeitsproduktivität bei der Ermittlung eines mit Blick auf Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung neutralen Verteilungsspielraums um die Preisentwicklung ergänzt wird. Denn wenn alle Preise steigen, können nach dieser Logik – vereinfacht gesagt – auch die Löhne in derselben Höhe steigen, ohne dass es zu Veränderungen der Wettbewerbsfähigkeit kommt.

Die Wahl des richtigen Indikators für die Preisentwicklung ist dabei ökonomisch umstritten. Offensichtlich ist angesichts der dramatisch negativen Entwicklung der Produktivität in den letzten Jahren aber eines: Auch bei einer zusätzlichen Berücksichtigung der aktuellen Preisentwicklung bleibt der so ermittelte verfügbare Verteilungsspielraum bezogen auf die Branche negativ. Eine Entgelterhöhung ohne Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit des Standorts ist wirtschaftlich aktuell nicht möglich.

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